Halb Brasilien, Halb Argentinien - Iguazu sind die groessten Wasserfaelle des Kontinents und gehoeren zu den Naturweltwundern.
Halb Brasilien, Halb Argentinien - Iguazu sind die groessten Wasserfaelle des Kontinents und gehoeren zu den Naturweltwundern.

18 Juli 07, Zwischen Argentinien, Paraguay und Brasilien, ICH WILL NICHT MEHR BUSFAHREN...aber es lohnt sich wenigstens

 

Was koennte man in 27 Stunden alles erledigen? Zur Post gehen, Freunde bekochen, 12 Stunden schlafen, abwaschen und es bliebe immer noch Zeit...

 

Wir haben solange im Bus gesessen und dabei wieviele Laender bereist?! Eines. Argentinien. Fast von ganz oben nach ganz unten. 2000 Kilometer und ich bin platt wie das Land um uns herum. Endlich keine Anden mehr. Nach unzaehligen Tagen umgeben von Bergen erscheint mir das Djungel-Plateau hier an der Grenze zwischen Brasilien, Paraguay und Argentinien abwechslungreicher, denn je.  

 

Und nach der trockensten Wueste des Planeten vorgestern und einem der kaeltesten Punkte des Kontinents vorige Woche gibt es nun noch einen Superlativ mehr - die schoensten Wasserfaellte der Welt kommen morgen an die Reihe...Iguaçu sind breiter als die Victoria-Fälle und höher als die berühmten Niagara-Fälle. Ich bin gespannt.

 

Aber fast noch aufregender finde ich die Tatsache, dass das Ende naht. Noch sieben Tage (!!) Weltenbummeln, noch sieben Mal einschlafen und am naechsten Morgen nicht mehr wissen, wo man ist, noch sieben Mal verrueckte Dinge essen und solche tun, an die man ein Leben lang denkt.

 

Und dann wieder Matjes. Und Merkel. Und Sommer. Ich freu mich unendlich.  

Ich fuerchte, ich bin nicht der typische Morgenmensch
Ich fuerchte, ich bin nicht der typische Morgenmensch
09 Juli 07, Bolivien, Uyuni Salzwueste, GRAUEN IM MORGENGRAUEN 
 
Teil 1
 
Ein Auge blinzelt. Ein zweites. Schon meine Wimpern stellen fest – ich friere. Zehn Zehen, krampfartig verrenkt durch die 7-stuendige Schockfrostung im durchgelegenen Bett, bewegen sich trotz Aufforderung nicht.
Ich bin ein zufriedener Mensch, das Leben im Allgemeinen ist ein Feines, doch dieses Ausmass an Widrigkeiten ist zuviel. Morgende wir diese sind in meinem Stimmungsbarometer nicht vorgesehen.
 
Es ist 4.53 Uhr morgens, ich befinde mich auf einer 3-Tages Jeeptour zum kaeltesten Punkt von Bolivien auf fast 5000 Metern Hoehe. Um unsere zugige Baracke ohne Strom oder warmes Wasser ist nichts als Wueste, Wind und Berg. Noch nie fand ich Abgeschiedenheit so einsam. In sieben Minuten ist Abfahrt im ungeheizten Gelaendewagen Richtung...? Ich weiss es nicht mehr.
Ich schiebe die kratzige Bettdeckenmasse, die in der Nacht das Gewicht eines liegenden Baeren bekommen hat, einen weiteren Zentimeter hinunter. Es stinkt. Der Geruch nach billigem Schnaps und stark beanspruchten Turnschuhen haengt im 6-Bettzimmer und huellt meine obere Gesichtshaelfte ein. Meine Nase ist ebenso unwillig diesen Tag zu beginnen, wie der gaensehautbedeckte Rest meines Koerpers.
 
Etwas bewegt sich in meinem Blickfeld. Ein wuchtiger Schattten kommt aus der Dunkelheit und beugt sich ueber mich. Mein rechtes Ohr ist nun ebenfalls ganz freigelegt. Jens morgenraue Stimme kraetzt etwas, das wie “Verteilung” klingt. Waehrend ich noch ueberlege, was er damit gemeint haben koennte, heult draussen ein Motor auf. 
 
Selbst schlecht gelaunt kann ich mich der Anerkennung nicht erwehren - die Natur hier ist umwerfend...
Selbst schlecht gelaunt kann ich mich der Anerkennung nicht erwehren - die Natur hier ist umwerfend...

Teil 2

 
Ich sitze in einem Gelaendewagen. Eigentlich klebe ich eher an einem fest. Meine unfrisierten Haare sind in den vergangenen Minuten an der rechten Fensterscheibe gestgefroren. Meine Zehen haben sich noch immer nicht bewegt – zumindest vermute ich das, jenseits meiner Knie ist mein Koerper nun taub vor Kaelte.
Ich versuche mich zu erinnern, welche Reiseinformationen unser wortkarger Fahrer Viktor gestern brockenweise in die sechskoepfige Reiserunde geworfen hat. War da von "Arboles de Piedras" die Rede? Baeume aus Stein? Fuer Naturwunder fehlt mir um diese Uhrzeit die Begeisterungsfaehigkeit. 
Ich starrte einfach in die Schwaerze hinter den gelierten Haaren und stelle mir vor, wir fuehren Richtung Copacabana an einen Strand mit orangefarbenen Sonnenliegen und Brasilianern in Mini-Badehosen. Als ich mich gerade galant in die Arme eines sonnenmilchgetraenkten Schoenen sinken lassen will, faehrt Viktor in ein Schlagloch. Jens kracht von links gegen mich, ich donnere rechts gegen die Scheibe, die Sterne draussen kommen naeher und ein Teil meiner Haare bleibt in der Eisschicht zurueck.
Ein Laut entweicht meiner Kehle, den ich so noch nie von mir gehoert habe. Jens offensichtlich auch nicht, sein Blick sagt soviel wie “Wenn du mich beisst, werde ich zurueckbeissen...”. Konversation beendet.
 
Es sieht aus wie Wueste, doch draussen pfeift Wind bei Minus 15 Grad...
Es sieht aus wie Wueste, doch draussen pfeift Wind bei Minus 15 Grad...

Teil 3

 

Wir muessen Fotos machen hat Viktor gesagt. Eigentlich hat er nur “Fotos” gebrummt und den Wagen in der Daemmerung an wilden Felsformationen geparkt, denen ich vergeblich Charme abzugewinnen versuche. Ich will nicht aussteigen. Inzwischen ist es 7 Uhr, die Aussentemperatur liegt bei Minus 15 Grad. Ich gehe in Gedanken durch, welche Kleidungsstuecke aus meinem Rucksack ich den anderen 5 Schichten noch hinzufuegen koennte, da beginnt es von hinten zu schieben. Die beiden Israelis aus unserer Gruppe sind der entfesselte Frohsinn und druecken gegen meine Rueckbank, um ins Freie zu gelanden. Ich versuche noch einen Moment dem Druck standzuhalten, dann werde ich mit in die Kaelte geworfen. 

Der Wind faehrt mir mit einem Stoss so ploetzlich von hinten in den Spalt zwischen Unterhemd Nummer Eins und Jeans den Ruecken hinauf, dass ich die Luft anhalte und die Augen aufreisse! Im Augenwinkel sehe ich die Israelis wie junge Kaelber herumgaloppieren, die Kamera gezueckt, das glucksende Lachen auf Maximallautstaerke.
Ich setze mich wieder in das Auto. Die Steine kann ich auch von hier aus gut sehen, ein Foto borge ich mir spaeter von Jens.
Urlaub vor 8 Uhr morgens faellt das naechste Mal aus.  
Ein Sonnenuntergang mitten im See. Jens und mir bleibt die Spucke weg.
Ein Sonnenuntergang mitten im See. Jens und mir bleibt die Spucke weg.

06/07/08 Juli 07, Zwischen Peru und Bolivien, LEBEN IM TITICACASEE

 

Der Titicacasee - Der hoechste See der Welt und eine der Hauptattraktionen auf dem Kontinent. Jens und ich buchen eine ungewoehnliche Besichtigungstour. Mit dem Schiff fahren wir einige der unzaehligen kleinen Inseln im See an und uebernachten schliesslich auf einem groesseren Eiland.

Knapp 2000 Menschen leben hier, abseits von der Zivilisation. Ein Alltag in der Abgeschiedenheit und Stille des Sees und anders, als alles, was wir kennen. Ich bin hin und hergerissen. Die Widersprueche sind so gross. Wir leben ein bisschen mit...Das Fuer und das Wider.

 

Ein einziges Essen dauert Stunden in der Vorbereitung. Kartoffeln sammeln, Holzhacken, Feuer machen. Gewuerze gibt es nicht.
Ein einziges Essen dauert Stunden in der Vorbereitung. Kartoffeln sammeln, Holzhacken, Feuer machen. Gewuerze gibt es nicht.

Kalte Finger

Kalte Fuesse

Haut rauh wie Kalkstein.

Ein tropfender Schlauch als Dusche an der Gartenmauer

Kein Radio

Keine Heizung

Eine Matratze aus Stroh

Zu Essen nur, was auf dem kleinen Acker waechst

Kein Herd

Ein ewig raeuchernder Holzofen in einem winzigen Verschlag

Kein Arzt

Keine Waermflasche gegen Rheuma fuer die Alten

Keine Buecher

 

aber

Von Aussen wirkt das Anwesen stattlich. Doch die Mauern halten den Wind nicht ab, das Grossmuetterchen sitzt meist auf dem Acker in der Sonne um sich zu waermen.
Von Aussen wirkt das Anwesen stattlich. Doch die Mauern halten den Wind nicht ab, das Grossmuetterchen sitzt meist auf dem Acker in der Sonne um sich zu waermen.

Rosen am Haus

Stille im Schlaf

Zeit zum Reden

Zeit zum Zuhoeren

Der schoenste Sonnenuntergang der Welt

Kein Neid

Keine Polizei

Keine Verbrechen

Niemals Stress

Keine Angst vor der Zukunft

 

Wir werden behandelt wie Freunde, nicht wie Fremde. Ich erzaehle von meinen Eltern, von ihrem Alltag auf dem Land. Wir sind alle neugierig, ob wir uns aber wirklich verstehen, weiss ich nicht. Als wir fahren steht die Familie am Zaun und winkt. Der Titicacasee ist ein besonderer Ort.