
05 Mai 07, AU Ostkueste, Sydney, DER LETZTE TAG IN AUSTRALIEN
Das wars. Vorbei. Kaenguruh, Ueberwachungskamera, wunderbare Welle, Plastiksack-Wein, neue Freundin, billiges Sushi, Shoppingparadies -Schuuueeeeessssss. Wir muessen jetzt los.
Fast sechs Monate sind vorbei und ich fuehle mich nicht laenger, als waere ich unterwegs. Ich komme jeden Tag irgendwo an.
Ich werde ein bisschen in mein Kissen weinen morgen frueh im Flieger. Denn wenn man kein Zuhause hat, mit Couch und Mitbewohner, dann macht man sich welche. Ein bisschen Julie bleibt in Australien und ein bisschen rote Erde hinter den Ohren bleibt bei mir.

Ich bin schwer pathetisch heute. Das liegt sicher an Jens. Der ist auch immer so sentimental.
Morgen beginnt also der letzte Abschnitt unserer Reise.
Suedamerika. Wie immer haben wir nichts geplant und erst seit heute einen Reisefuehrer (aus dem Jahr 2002...). Das erste Land heisst glaube ich so aehnlich wie Chilli. Spass. Aber wahr ist, dass das Abenteurern noch nicht zu Ende ist...Weltreisen ist immer noch toll.

01 Mai 07, AU Ostkueste, Byron Bay, ZUSAMMEN IST MAN WENIGER ALLEIN
Hossa! Was waren die letzten Tage heiter. Ich war campen in einer der Kifferhochburgen an der Ostkueste und ich bin froh, dass ich vor lauter "Ey, mach ma locker, kein Stress, Alter" meinen Bus wieder weg nicht verpasst habe.
Weil ich in Byron Bay, so hiess der Ort, ausschliesslich von englischen Reisefreunden umgeben war, muss ich zu denen grad mal ein paar Worte sagen.
Ich mag Englaender. Die sind lustig und laut und irre und vulgaer. Ein bisschen wie wir Deutschen. Die trinken nie soviel, wie sie vertragen, sondern immer das Doppelte und am naechsten Tag stossen sie schenkelklopfend schon wieder auf die Ausfaelle vom Vortag an.
Ich musste viele neue Worte lernen, um da nicht den Ueberblick zu verlieren. "Scandalous" (erklaert sich selbst) ist wichtig und "Sweet!" (Ausdruck hoechster Zufriedenheit, passt immer). Ausserdem sollte man "snog somebody" (jemanden mit Zunge kuessen, wichtiger Unterschied zu "kiss") kennen und "Kick Ass!" heisst nicht "Arschtritt", sondern "Supergeil!". Mein Englisch war noch nie so anschaulich.
Und mit diesem Zugewinn an Wortschatzschrott geht meine heitere Zeit alleine nun zu Ende. Morgen treffe ich Jens in Sydney wieder. Ich freu mich und Sonntag gehts schon nach Suedamerika, aber gerade fuehle ich mich mehr nach Rueckblick, denn nach vor Vorhersage.

Ein paar denkwuerdige Highlights aus zwei Monaten "Julie allein in Ostkuestistan":
- Ich bin schreiend aus einem Flugzeug gesprungen
- Ich haette eines geflogen, wenn mir nicht so uebel gewesen waere
- Ich habe Meeresschildkroeten beim Liebemachen gesehen
- Ich habe mich aufgefuehrt, wie ein Surfer
- Ich habe am Lagerfeuer zwecks Kulturenaustausch Schuhblattler getanzt
- Ich habe Schweineohren entsorgt
...und ich habe viele, viele, viele Menschen getroffen, die alle ihre Fingerabdruecke hinterlassen haben. Also im uebertragenen Sinne, mein ich.
Kurzum - es war sweet!

25 April 07, AU Ostkueste, Brisbane, MAN IST SO ALT WIE MAN AUSSIEHT
Wie alt bin ich? Ich fuehl mich wie exakt wie 24dreiviertel und ich finde, ich seh auch so aus. Findet aber irgendwie sonst keiner. Da kommen beim geselligen Beisammensein Altersangaben, da koennte in den Brisbane River springen. 19 war bislang wohl die Kroenung. Mache ich den Eindruck ich waere ein Teenager???
Ich finde das nur sehr bedingt schmeichelhaft.
Doch vielleicht wird jetzt alles anders, denn ich war beim Frisoer. Und ich sprech besser nicht drueber, was es gekostet hat. "Change your hair, change your lifestyle" sag ich immer, und da muss man ne Woche Tuetensuppe ohne Nudeln wohl in Kauf nehmen.

Ansonsten habe ich Brisbane in drei Tagen bezwungen. Fazit: Okay, aber nicht umwerfend, von der Lagune in der Stadtmitte mal abgesehen. Und jetzt muss ich schon wieder meinen Mega-XXL-Rucksack packen, der inzwischen so gigantisch ist, dass Beobachter neulich applaudiert haben, nachdem ich das fette Vieh endlich auf meinen Ruecken gehieft hatte.
Und dann gehts mit dem Bus weitere vier Stunden Richtung Sueden nach Byron Bay. Danach kommt nur noch Sydney und deshalb werde ich es da nochmal so richtig krachen lassen. Denn das koennen sie ja immerhin, die Teenager von heute.

22 April 07, AU Ostkueste, Brisbane, SPLISS UND JENS 1000 KILOMETER WEIT WEG
Schlachten war schoen, Dorfleben auch, Zelten war ein Abenteuer und Kleinstadtidylle kann froehlich machen...Aber nu ist gut. Jetzt ist wieder Stadt angesagt.
Jens ist uebrigens immer noch nicht wieder in meinem Schlepptau. Der liegt sich in Sydney weiter im Sueden den Hueftspeck platt und pustet Muster ins Gras. Seine zwei Freunde sind wieder nach Deutschland geflogen und wir haben uns jetzt schon ueber einen Monat nicht gesehen. Aber in gut zwei Wochen laufe ich auch in Sydney auf und dann fliegen wir schon weiter nach Chile! Suedamerika, ick hoer dir rufen! Wie die Zeit verfliegt!
Jetzt bin ich gerade aber erstmal in Brisbane, der drittgroessten Stadt in Australien, und muss mich wieder an Ampeln gewoehnen, an Strassenstaende und an so viele unbekannte Gesichter.
Meins wird sich morgen ein bisschen veraendern, denn ich gehe endlich mal wieder zum Frisoer! Maenner koennen das vielleicht nicht verstehen, aber fuer eine Frau ist das mehr, als ein Termin. Es ist Fuegung. Und nach 100 Stunden Sonne, Salzwasser, Sand und Buerstenabstinenz freue ich mich unendlich auf ein bisschen seidigen Schimmer in meinem Leben!
Wenn ich nicht - wie letzten 50 Male - nach dem Frisoer traenenueberstroemt in irgendeinem oeffentlichen Klo vor dem Spiegel stehe, schiesse ich ein Foto vom neuen Glueck auf meinem Kopf.

20 April 07, AU Ostkueste, Fraser Island, DREI TAGE UNTER WILDEN
"...Zunächst vertrauen die 11 Backpacker darauf, dass sie gerettet werden. Die paradiesische Insel ist zwar augenscheinlich unbewohnt, aber die Weltenbummler finden Trinkwasser, essbare
Früchte und Wildschweine auf der Insel und beginnen ihr Zusammenleben und eine Arbeitsteilung zu organisieren.
Der 20-jährige, muskulöse und gewandte Eddie befreundet sich mit der 24-jaehrigen deutschen Asthmatikerin Julia, die alle "Piggy" nennen, weil sie korpulent, unsportlich und tollpatschig ist. Als die
beiden ein Muschelhorn finden und Eddie darauf bläst, versammeln sich die Verschollenen und wählen ihn zu ihrem Anführer. Eddi sorgt dafür, dass die Insel weiter erkundet wird und lässt Hütten
errichten. Indem sie Piggys Brille wie ein Brennglas benützen, gelingt es den Backpackern, ein Signalfeuer auf der höchsten Erhebung der Insel zu entfachen.
Allmählich entwickeln sich Aggressionen unter den Jungen und Maedchen aus allen Laendern der Welt, und es bilden sich verschiedene Gruppen, die sich immer stärker voneinander abgrenzen. Nach einigen
Tagen eskalitiert die Situation und die bis dahin friedlichen Jugendlichen ermorden Piggy..."

Na, wer hat's gelesen?! Das ist in knappen Worten die "Herr der Fliegen"-Geschichte von William Golding. Ganz so verliefen meine letzten drei Tage nicht, aber so aehnlich!
Man stelle sich vor: Ein Hostel schickt elf, einander unbekannte Backpacker drei Tage auf eine unbewohnte Sandinsel, rationiert die Vorraete und ernennt zu Beginn einen Anfueher - wer kann da sagen, was am Ende dabei rumkommt?
In unserem Fall waren es tatsaechlich einige Bluterguesse (aber nur in der Halsgegend ;) und schmerzende Koepfe fuer die jeder selbst verantwortlich war (habt ihr schon mal Iren trinken sehen?! Ich bin immer noch fassungslos).
Diese drei Tage waren echt mal was anderes. Wir haben haufenweise gefaehrliche Dingos (wilde Hunde) gesehen, merkwuerdige Reptilien und in Zelten am Lagerfeuer geschlafen. Ich habe Sand so tief in den Ohren, dass mein Gehirn beim Denken immer noch knirscht und ich muss inzwischen zugeben, dass Australiens Natur es wohl mit den schoensten Flecken in Asien spielend aufnehmen kann. Und Backpacker sind im Allgemeinen sehr feine Menschen!!! (Fotos von den wilden Menschen und Tieren unter "Fotogalerie")

16 April 07, AU Ostkueste, Immer noch Town of 1770/Agnes Water, ICH BIN EIN DORFMENSCH
Heute bin ich den letzten Tag in Town of 1770/Agnes Water (zwei kleine Nachbarorte, die immer zusammen genannt werden) und wenn ich an die vergangenen drei Wochen in dieser vergessenden Welt denke, muss ich laecheln. Soviel Idylle auf einem Haufen ist schwer zu ertragen.
Es sind die Bewohner des Kuestenortes, es ist die Sonne, es sind die Wellen. Doch vor allem ist die mysterioese “Agnes Time”. Die Dorfbewohner selbst haben dieses Wort erfunden und jeder weiss, was damit gemeint ist, ohne, dass es jemand erklaeren koennte. Jemand hat die Zeit angehalten. Vielleicht sogar Kapitaen James Cook persoenlich, der hier vor gut 240 Jahren anschipperte und ausser planschenden Delphinen und einem endlosen Kuestenstreifen nicht viel vorfand. Allzuviel hat sich seitdem nicht veraendert.

Ein Morgen in “Agnes Zeit”:
Ich wache auf und die Sonne scheint bereits warm durch das Fenster. Es ist Winter, doch es werden mindestens 27 Grad. Es ist eine trockene, angenehme Waerme, nicht mit den feuchten Schwaden weiter im Norden zu vergleichen. Das Klima hier ist das gleiche, wie auf Hawaii und die Dorfbewohner schwoeren, dass es keinen angenehmeren Platz zum Leben gibt.
Entgegen jeder Gewohnheit steige ich sofort aus dem Bett. Es gibt zuviele Dinge ueber die ich mich freue. Endlich wieder ein eigenes Zimmer zu haben gehoert dazu. Nach zahllosen Naechten zwischen roehrenden Schnarchmonstern in ueberfuellten Schlafsaelen fuehlt die Ruhe am Abend sich unwirklich an. Wenn ich nicht muede werde, starre ich die Surfposter an mit denen die Waende tapeziert sind. Beim ersten Betreten erinnerte mich der Raum eher an ein Kinderzimmer denn an ein Gaestezimmer. Inzwischen fuehle ich mich zwischen den Papierwellen beinahe zu Hause. Doch das liegt vor allem an Paul. Der australische Surflehrer entspricht vielen Klischees: Braungebrannt und blondgelockt kuemmert er sich auch gerne nach den Stunden um seine Strand-Schaefchen. Ich schaetze dagegen eher seine inneren Werte, denn Paul hat mich ohne grosse Worte bei sich aufgenommen und ich darf alles aus seinem Kuehlschrank essen, was mir schmeckt. Doch gerade ist der Kuehlschrank leer und Paul ist bereits am Strand.

Ich hole meinen Bikini von der Waescheleine im Garten und steige in ein paar salzwasserresistente Boardshorts. Viele Dorfbewohner tragen den gesamten Tag nichts anderes. Paul verzichtet fuer gewoehnlich selbst auf ein T-Shirt. Dresscode australisch. Ich mache mich auf den Weg zum Supermarkt und schon nach wenigen hundert Metern treffe ich den ersten Bekannten. William ist ein arbeitsloser Zimmermann mit ausgebleichtem Zottelhaar und Reptilienhaut und wir plauschen ueber "the Surf", was soviel heisst wie "den Wellengang", eines der Lieblingsthemen der Dorfbewohner. William schickt mich mit einem breiten “See Ya” weiter und ich schlurfe vorbei am Zeitschriftenladen und dem Fleischer. Anthony, Inhaber der Metzgerei und seit einigen Tagen mein Chef, winkt mir durch die Scheibe zu und tippt schmunzelnd auf seine Armbanduhr. Ich zeige ihm einen Vogel, denn meine Schicht am Spuelbecken beginnt erst am Nachmittag. Bis dahin will ich Fruhestuecken, Wellenreiten, mit meiner italienischen Freundin Federica Nudeln kochen und Waesche waschen.
In einiger Entfernung sehe ich Sarah und Deren, die jungen Besitzern eines der Hostels, in ihrem Gelaendewagen auf den Marktplatz fahren und Deren nickt mir freundlich zu. Ich schlendere durch den Supermarkt und kaufe Yoghurt, Weintrauben, Orangen, ein Stueck Kaese und ein Paket Spaghetti. Ich habe das Gefuehl den gesamten Ort und die meisten Geschichten bereits auswendig zu kennen. Wie kann das sein nach nur 3 Wochen?
Als ich zurueck auf die Veranda komme ist es beinahe zu warm, um in der Sonne zu essen. Ich schmeisse Maroon5 in den CD-Player und koche mir Kaffee. Kein Stress. Keine Hektik. Agnes Zeit.

12 April 07, AU Ostkueste, Town of 1770/Agnes Water, ALTER, LASS MICH RAUS!!!
Es ist so schoen hier. Ich komme aus diesem Ort einfach nicht weg. Und wenn ich nicht gerade Gehacktes aus meinen Haaren buerste oder mir am Strand die Graeten verdrehe, bleibt Zeit ein paar weitere Abenteuer anzugehen.
Zum Beispiel ein Flugzeug fliegen. Das war zumindest der Plan. Ich bin da ja fuer alles offen, aber diesmal habe ich mich selbst in die Pfanne gehauen.

Da habe ich mich drei Tage auf den Cesna-Trip gefreut und was passiert? Wir heben ab, ich sehe den Erdboden schwinden und mir dreht sich der Magen um. Und zu diesem Zeitpunkt ist der Pilot noch selbst geflogen und nicht die beiden anderen ehrgeizigen Fluganfaenger.
Als ich das Gefuehl habe, ich moechte lieber aus dem Flugzeug springen, als noch laenger drinzusitzen uebernimmt der abgebruehte Texaner Ben das Steuer und ab geht die Luzi. Rauf-Runter-Links-Rechts-Loooooping. Ich weiss nicht mehr wo oben und unten ist und sage einfach gar nichts mehr.

Als wir einen Zwischenstopp an einem abgelegenen Strand einlegen, muss ich mich auf den Boden legen um wieder klarzukommen - sehr zur Bespassung der anderen Drei lustigen Vier.
Als ich wieder laufen kann, sehen wir einen Delfin im Wasser spielen und ich bin wieder gluecklich. Wer reisen will, muss wohl manchmal leiden.

04 April 07, AU Ostkueste, Town of 1770, Surfen Schrubben Schlafen...
...oder Veggie goes Meatburger.
Ich habe meinen ersten Job in Australien! Erstens stehe ich nach diversen Traumstrandbesichtigungen und Extremsporterlebnissen kurz vor der Pleite und ausserdem finde ich Alleinereisen ohne Beschaeftigung weiterhin nicht so berauschend.
Australiens Ostkueste ist ein bisschen wie Ibiza mit juengerem Publikum und ich fuehle mich alt. Deshalb habe ich der Partymeute nun ein Schnippchen geschlagen und einen einsamen, kaum besuchten Ort gefunden an dem ich schon 5 Tage bin und noch einen weitere Woche bleibe. Allein den Namen "Town of 1770" finde ich schon so ausgefallen, dass sich das Hierbleiben lohnt. Darueber hinaus gibt es in dem 800 Seelen Dorf einen perfekten Surfstrand, einen Supermarkt, einen Troedelladen und einen SCHLACHTER.
Und nun wirds interessant: Nachdem ich 5 Jahre mit Leib und Seele fleischlos gelebt habe (und immer noch Vegetarier im Geiste bin), wuehle ich mich jetzt aus Mangel an Alternativen jeden Tag drei Stunden durch Gefluegellebern und Schweinefuesse. Ich bin Butcher-Gehilfe und putze mir die Seele aus dem Leib, um Schuesseln und Fliessen von Blutspritzern und Knochenspittern zu befreien. Dafuer gibts 13 AU Dollar (ca. 10 Euro) die Stunde und ich denke jede Minute, wie schoen es bei RTL war.
Dafuer komme ich wieder in Form. Denn bevor ich den Schrubber schwinge, gehe ich jeden morgen drei Stunden surfen. Macht sechs Stunden Bizeps-Trizeps-Training pro Tag und Krustenbraten-Teint ohne weitere Anstrengung.
Und ich wohne jetzt in ner WG! Ich bin aus Kostengruenden bei meinem Surflehrer eingezogen. Das hat diverse Vorteile, von denen keiner irgendwelchen Klischees entspricht, denn Paul ist 34 und ziemlich harmlos. Bilder folgen, sobald ich wieder ne Kamera hab (siehe Fotogalerie)!
Und Frohe Osterwuensche schon mal an Euch!!! Ich kauf mir jetzt noch Nougateier fuer einen Hauch von Stimmung in Australiens Fast-Outback.