Wer bin ich und wieviele? Zu diesem Zeitpunkt bin ich ca. 8 Minuten wach, habe bereits eine Schlauchbootfahrt und einen Buschwalk hinter mir und trage meinen Pyjama.
Wer bin ich und wieviele? Zu diesem Zeitpunkt bin ich ca. 8 Minuten wach, habe bereits eine Schlauchbootfahrt und einen Buschwalk hinter mir und trage meinen Pyjama.

28. Maerz 07, AU Whitsundayislands, SCHLAF ICH NOCH ODER TRAEUM ICH SCHON? NIE WIEDER ALKOHOL...

 

Ein Mann stuermt in ein Zimmer, an das ich mich nicht erinnern kann. Das Licht frisst meine Pupillen und der Fremde schreit mich an: "Do you wanna see the Beach??? Then get up NOW!!!"

 

Hae? Was fuern Beach denn? Egal. Fuer Fragen scheint keine Zeit. Und was heisst "get up" nochmal??? Ich soll irgendwo hochgehen? Mein Gehirn faehrt 100 Km/h im ersten Gang. Adrenalin schiesst in die Gegend um meinen Bauchnabel. Ich grabsche meine Kamera, rase im Schlafanzug aus der kleinen, holzverkleideten Kammer und renne aufs Deck. Ach ja - Deck = Schiff. Ich bin seit gestern segeln mit 50 anderen, aber wo sind die JETZT???

 

Ich stehe an der Reeling, meine Fahne weht im Wind und ich starre. Ich starre mir die Augen wund, aber ich kapiere es nicht: Die Bucht, die Palmen, die waldbewachsenen Huegel - das kenn ich doch alles schon. Welchen "Beach" meint der Fremde bloss? Mein Gehirn steht kurz vor einem Krampf, waehrend es weiter versucht Fragmente zusammenzufuegen: 

 

Segelturn, Begruessungs-Party, Wodka, Schieflage. Und dann - Dunkelheit.

 

Starren bringt mich nicht weiter. Ich schiesse ein Foto von der Kueste - sicher ist sicher - und rase wieder die Treppe runter. Linksrum diesmal. Zurueck. Doch rechts. Ich stoppe meinen Sprint auf der hinteren Schiffsplattform. Mein Kopf explodiert. Da sitzen mindestens ein Dutzend junge Menschen in einem Schlauchboot und starren mich an. Warten die auf MICH???

 

Und da ist der Fremde von eben wieder. Sein Blick gleitet an mir herunter und er schuettelt den Kopf: "This is how you wanna go to the Beach? Don't you have a Bikini? A Towel? TWO MINUTES!"

"Whitehaven Beach". Mit ziemlicher Sicherheit einer der schoensten Orte der Welt.
"Whitehaven Beach". Mit ziemlicher Sicherheit einer der schoensten Orte der Welt.

Und ich renne. Diesmal weiss ich warum, denn mein schmerzender Kopf hat ein weiteres Puzzleteil ausgespuckt:

 

"Whitehaven Beach"! Vielleicht DIE Attraktion an der australischen Ostkueste nach dem Great Barrier Reef. Laut National Geographic im vergangenen Jahr der zweitschoenste Strand der Welt (Der schoenste liegt demnach in Mexico).

 

Und ich befinde mich drei Minuten davon entfernt dieses Paradies niemals zu Gesicht zu bekommen.

 

In meinen Adern fliesst mehr Wodka als Blut, aber ich muss mich jetzt konzentrieren. Ich renne wieder in die Kabine, raffe wahllos Kleidungsstuecke zusammen und jage zweieinhalb Minuten spaeter mit den anderen im Schlauchboot Richtung Himmel. Ich trage immer noch meinen dicken Schlafpullover, fuer Schuhe war keine Zeit, aber ich habe meine Kamera und immerhin haben sie mich nicht ganz vergessen.  

 

1 Minute nach dem Sprung - so gut bin ich morgens sonst nie gelaunt :-)
1 Minute nach dem Sprung - so gut bin ich morgens sonst nie gelaunt :-)

23 Maerz 07, AU Mission Beach, Kleiner Strandort an der Ostkueste, VOGELSEIN


Heute ist ein besonderer Tag. Ich bin noch vor dem Fruehstuck aus einem Flugzeug gesprungen.

Mein lieber Herr Gesangsverein. Da stehst du in der einen Minute noch zaehneputzend vorm Spiegel und in der naechsten blickst du durch eine offene Flugzeugluke von oben auf die Wolken und dein gesamter Koerper schreit:

Tu es nicht.

Und ploetzlich kommt diese Info auch in meinem Hirn an und ich will gar nicht mehr. Nicht raus aus der winzigen Propellormaschine und vor allem nicht runter. 14.000 Feet, fast 5.000 Meter, das ist doch zuviel fuer mich. Aber bis ich das mal auf Englisch meinem Instuktor verklickert habe, hat der laengst entschieden, dass keine Zeit mehr fuer Ansprachen bleibt.

Der "Mission Beach". Da sind wir gelandet
Der "Mission Beach". Da sind wir gelandet
Die Angst in diesem Moment ist animalisch. Und berechtigt. Der freie Fall in den ersten Sekunden drueckt dir den Magen Richtung Nasennebenhoele, die Wangen schwabbeln noch schneller, als das Herz schlaegt. Die Fuesse werden ferngesteuert hin und her geschmissen und das Windgejammer zerfetzt dir fast das Trommelfell. Aber das schlimmste ist die Orientierungslosigkeit.

Faellst du noch, oder zerschellst du schon?

Eine Minute dauert der freie Fall ohne Schirm. Endlos. Danach zieht mein Instruktor Dan die Reissleine und wir schiessen nach oben. Die letzten 5.000 Feet segeln wir wie schlappe Saecke in die Gurte gequetscht Richtung Boden. Alles ist still jetzt und ich traue mich das erste Mal nach unten zu schauen. Unter mir erstrecken sich hunderte Kilometer Sandstrand, das Meer glitzert und ich frage mich, ob die dunklen gruenen Flaechen auf dem Wasser Wolkenschatten oder Korallenriffe sind. Meine Mundwinkel ziehen nach oben und ich bin fuenf Minuten Vogel.

Und liebe Mama - ich hab dir das extra nicht vorher erzaehlt :-).
Julie goes Nemo
Julie goes Nemo

20 Maerz 07,  AU Cairns, Great Barrier Reef, WENN'S UNTENRUM VIEL SCHOENER IST...

 

Ahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh!

 

Das war mit das beste, was mir in meinem kurzen, abwechslungsreichen Leben bislang zuteil geworden ist! Ich war Tauchen! Mit allem Schnicki Schnacki! An einem der Naturweltwunder! Und irgendwo zwischen Todesangst und Klaustrophobie entdeckt man ploetzlich, dass man fliegen kann.

 

Ach so - und ich flatter jetzt alleine umher. Jens hat Besuch von zwei Freunden aus Deutschland und so werde ich die naechsten vier Wochen ohne Navigationssystem durch Crazy-Australien schleichen. Die ersten zwei Solotage sind ueberstanden und - das wollte ich ja eigentlich erzaehlen - zumindest einer davon war unfassbar toll.

 

Eigentlich wollte ich auf diesem suendhaft teuren 1-Tages-Trips zum Great-Barrier-Reef gar nicht richtig mit dem Kopf Unterwasser. Schnorcheln ist auch cool und soviel billiger. Aber dann gab es auf unserer Bootstour einen "Try-Dive" (5 Minuten Klomotten anziehen, Tank aufschnallen und 1 Meter abtauchen) und danach konnte ich nicht mehr anders.

Die ist halb so gross wie ich!
Die ist halb so gross wie ich!

Denn wenn die Schnappatmung nachlaesst und man nicht laenger das Gefuehl hat an sich selbst zu ersticken, wird es wunderbar:

 

Unter mir tauchen gleich zu Beginn die ersten wirklich grossen Fische auf (ca. 1,60 Meter) und weiter gehts...Von links schwebt eine riesenhafte Meeresschildkroete vorbei und laesst sich bereitwillig am Panzer streicheln (ich hab die wirklich angefasst!!!), rechts unten luemmelt ein kleiner Rochen im Sand und geradeaus spielt Nemo, der Mini-Clownsfisch (hoechstens 5 Zentimeter gross), in einer Anemone verstecken. Auf dem Rueckweg geht's vorbei an einem gestressten Riffhai, ich drehe eine scharfe Kurve ueber einer eingeschnappten Riesenmuschel (bis 100 Kilo schwer) und schwimme durch einen zuckenden Schwarm tausender neongelber Fischleiber.

 

Und dann sind die 30 Minuten vorbei. Und es dauert nochmal solange, bis ich aufhoeren kann zu lachen. Was fuer ein Wahnsinn.